Jungigel
Wie alt ist der gefundene Igel?
Einleitung
Igelsäuglinge, die ausserhalb des Nestes gefunden werden, brauchen dringend menschliche Hilfe. Da es aber Erfahrung braucht, ein verwaistes Igelbaby zu versorgen, kontaktieren Sie so rasch wie möglich das Igelzentrum oder einen Tierarzt in Ihrer Nähe.
Igelsäuglinge unterkühlen sehr rasch. Legen Sie diese daher sofort auf eine mit lauwarmem Wasser gefüllte Wärmeflasche, die Sie in eine Kartonschachtel legen und mit einem Küchentuch bedecken. Auch die Igelsäuglinge werden mit einem Küchentuch vorsichtig bedeckt.
Falls Sie innerhalb der nächsten Stunden keine Fachperson beiziehen können, versuchen Sie, den Igelsäuglingen mit Hilfe einer Spritze ohne Nadel oder mit einer Pipette lauwarmen, ungesüssten Fencheltee einzuflössen. Geben Sie ihnen niemals Milch.
Da Igelsäuglinge noch nicht ohne Hilfe Kot und Urin ausscheiden können, müssen die Geschlechtsteile mit einem Wattestäbchen gekitzelt werden, bis Kot und Urin abgegeben werden. Lesen Sie unter Toileting nach.
Befinden sich Fliegeneier und/oder -maden auf dem Igelbaby, erfahren Sie weiteres dazu unter Befall mit Fliegeneiern und Fliegenmaden.
Wie alt ist das gefundene Igelbaby?
Mit Hilfe der folgenden Tabelle lassen sich Alter und Gewicht eines Igelsäuglings bestimmen, wobei der Entwicklungszustand ausschlaggebend ist und nicht das Gewicht, da dieses sehr variiert.
Wichtig: Igeljunge bei ihren ersten regulären Ausflügen ausserhalb des Nestes sind etwa dreieinhalb Wochen alt und sehen aus wie die Miniaturform eines erwachsenen Igels. Nur in Ausnahmefällen sind diese Tiere, die auch mal tagsüber unterwegs sein können, auf Hilfe angewiesen. Es darf auch nicht irritieren, dass die Mutter manchmal nirgends zu entdecken ist. Oft überlässt sie dem Jungvolk die Beutetiere in der Nähe des Nestes und sucht sich ihr Futter etwas weiter entfernt. Ist man trotzdem unsicher, ob die Mutter noch vorhanden ist, kann solchen Igelkindern auch erst einmal Katzenfutter und Wasser angeboten werden. Ganz selbstständig, das heisst: von der Mutter entwöhnt, sind die Jungen übrigens im Alter von 6 Wochen.
Bildliche Unterscheidung "Igelbaby 10 Tage alt" und "Igeljunges 3,5 Wochen alt":
Igel & Umwelt 2024/1 (PDF 1.6 MB) auf Seite 5.
Fütterung I
Sind die Augen beim Igelbaby noch geschlossen und/oder ist es noch zahnlos (wiegt also in der Regel weniger als 120g), wird es mit einer Welpenersatzmilch ernährt. Diese ist beim Tierarzt erhältlich. Kuhmilch ist für Igel nicht geeignet (siehe Häufige Fragen)!
1 Teil Welpenersatzmilch mit 2 Teilen lauwarmem Wasser anrühren und in eine Spritze ohne Nadel einfüllen.
Den Säugling - auf fester Unterlage auf dem Bauch liegend bzw. auf den 4 Füssen stehend - mit der einen Hand sanft fixieren und von vorne die Ersatzmilch in einer Spritze (ev. mit Saugaufsatz) anbieten und den Igel trinken lassen.
Die Ersatzmilch sollte sehr langsam und vorsichtig eingeflösst werden, damit sich der Igelsäugling nicht verschluckt. Zu Beginn wehrt er sich meistens gegen das Schöppeln. Er muss sich zuerst an den Geruch des Menschen und der Ersatzmilch gewöhnen. Er wehrt sich häufig auch wieder, wenn er von einer anderen Person geschöppelt wrid.
Die Trinkmenge muss individuell angepasst und mit zunehmendem Körpergewicht erhöht werden. Ein Igelsäugling erhält während 24 Stunden etwa ¼ seines Körpergewichtes als Nahrungsmenge verabreicht. Beispiel gemäss Tabelle: Ein 40g schwerer Igel bekommt 10 ml Welpenersatzmilch, verteilt auf 8 Mahlzeiten am Tag und 2 Mahlzeiten in der Nacht. Nach dem Öffnen der Augen kann die Fütterung nachts ausbleiben.
Der Igelsäugling sollte täglich 4-6g zunehmen. Frisst er selbständig, erhöht sich die Gewichtszunahme auf täglich 10g. Eine Waage (mit 1- oder 2-Gramm-Skalierung) zum Bestimmen der Gewichtsentwicklung ist unablässig bei der Säuglingsaufzucht: Verlust oder übermässige Zunahme über mehrere Tag sind Alarmsignale!
In zwei Videos (Teil 1 und Teil 2) sehen Sie die Handaufzucht von kleinen Igeln. Diese Videos sind schon etwas älter: Die Igelbabys wurden damals in senkrechter Lage oder in Rückenlage geschöppelt, was wir heute nicht mehr empfehlen, weil die Gefahr des Verschluckens besteht. Zudem wurde das Toileting damals mit dem Finger ausgeführt, heute mit WC-Papier.
Die gezeigten Igel müssen auch in der Nacht 2 x gefüttert werden! Bei so kleinen Igeln braucht es viel Erfahrung und Durchhaltevermögen der Pflegerin.
Berichte zu Erfahrungen mit Igelsäuglingsaufzucht finden Sie in
Igel & Umwelt 2006/1 (PDF 1.1 MB) auf Seite 3 und in
Igel & Umwelt 2009/1 (PDF 1.0 MB) auf Seite 4.
Toileting
Igelsäuglinge können noch nicht selbst Kot und Urin ausscheiden. Die Geschlechtsteile müssen geduldig mit Toilettenpapier massiert werden, bis Kot und Urin abgegeben werden. Dabei wird der Urin mit dem Toilettenpapier aufgesogen, sodass kein Urin über den Körper des Igels runterläuft (kann wunde Stellen verursachen). Frisst der Igelsäugling selbständig, ist das Toileting nicht mehr nötig.
Fütterung II
Sobald die Igelsäuglinge Interesse zeigen, Welpenersatzmilch zu läppeln, wird diese in einem Schälchen angeboten: z.B. umgedrehter Unterteller. Manchmal braucht es etwas Zwang, damit sie selbständig Ersatzmilch läppeln: Dazu die Zeitspanne zwischen dem Schöppeln erhöhen!
Ab dem Alter von 3-4 Wochen, bzw. wenn die Zähne durchstossen, sollten sie nicht mehr geschöppelt werden müssen. Dann wird wenig fein zerdrücktes Katzenfeuchtfutter in die Welpenersatzmilch gemischt. Anfänglich wird es als Bodensatz liegen bleiben, mit zunehmendem Appetit dann aber mitgefressen. Der Anteil Katzenfeuchtfutter wird täglich erhöht. Innerhalb von 10 Tagen fressen die Igelsäuglinge ausschliesslich Katzenfeuchtfutter.
Es gibt aber auch Jungigel, die die Welpenersatzmilch nicht läppeln wollen. Bietet man ihnen reines Katzenfeuchtfutter an, fressen sie dieses sofort.
Sind die Zähne vollständig durchgestossen, sollte die Umstellung auf Katzenfeuchtfutter erfolgt sein. Dieser Wechsel sollte so früh wie möglich angestrebt werden, da Welpenersatzmilch nicht die optimale Ernährung für Jungigel ist.
Wenn Sie die Säuglinge nicht mehr schöppeln, vermeiden Sie den Berührungskontakt mit ihnen (mit Ausnahme des Wägens). Sie sind Wildtiere und sollen nicht verhätschelt werden! Ziel einer Igelaufzucht ist immer, ein selbständiges Tier wieder in die freie Natur zu entlassen!
Folgendes Futter erhalten die Igel bis zu ihrer Freilassung bzw. Auswilderung:
- Feuchtfutter: 2-3 Esslöffel Katzendosenfutter
- Flüssigkeit: Wasser in flacher Schale
- Trockenfutter (als Ergänzung): 1 Esslöffel Igeltrockenfutter oder Katzentrockenfutter
Eine regelmässige Kontrolle der Gewichtsentwicklung erfolgt bis zur Freilassung bzw. Auswilderung (10-15g Zunahme pro Tag nicht überschreiten!).
Dementsprechend wird die Futtermenge laufend angepasst.
Ziehen Sie mehrere Jungtiere gross, bieten Sie soviele Futterschalen an, wie Jungtiere vorhanden sind. Stellen Sie beim Wägen fest, dass ein Igel nicht zunimmt, müssen Sie ihn separieren. Es kommt oft vor, dass starke Jungtiere den schwachen das Futter wegfressen.
Haltung
Zur Haltung der Igelsäuglinge dient anfänglich eine Plastikkiste, die mit Zeitungspapier und einem Frottetuch ausgelegt wird. Igelsäuglinge unterkühlen sehr rasch. Sie müssen mit einem Heizkissen (kleinste Heizstufe!) oder mit einer Wärmeflasche warmgehalten werden. Die leicht erhöhte Temperatur soll durch das Frottetuch hindurch spürbar sein. Die Igeljungen müssen immer die Möglichkeit haben, von der Heizquelle wegzukriechen, falls es ihnen dort zu warm ist. Neue Heizkissen schalten nach 90 Minuten Dauerbetrieb automatisch ab; mit einem vorgeschalteten Timer (15 Minuten on/ 15 Minuten off) umgehen Sie das.
Ab dem Alter von 3-4 Wochen, bzw. wenn die Zähne durchstossen, brauchen sie keine Wärmezufuhr mehr. Sie erhalten jetzt eine kleine Kartonschachtel als Nest. Die Schachtel wird mit einem Loch als Eingang versehen und mit zerrissenem Haushaltpapier gefüllt. Der Bewegungsdrang verlangt bald mehr Auslauf (1 - 2m2); die Bretter für das Innengehege sollten mindestens 25-30 cm hoch sein.
Auswilderung
Ab einem Gewicht von 250-300-350g müssen die Igeljungen nach draussen in ein Freigehege von mind. 4m2 (besser 10m2) umgesiedelt werden. Als Nest dient jetzt ein Igelhaus, das Sie dicht mit Stroh füllen. Das Katzenfutter (2-3 Esslöffel) wird unter ein Futterhäuschen (Holzkiste mit Loch) gestellt, wo es vor Katzen sicher ist. Zum Trinken dient eine grosse Schale, die mit Wasser gefüllt wird. Nach ca. 2 Wochen werden die Igel in die Freiheit entlassen. Dabei wird das Tor des Freigeheges geöffnet, so dass die Igeljungen in die Freiheit spazieren können. Während 2 Wochen wird am gewohnten Ort weiterhin gefüttert. Auch das Schlafhaus soll dem Igel weiterhin zur Verfügung stehen. Auf diese Weise haben die Igeljungen genügend Zeit, ihren neuen Lebensraum kennenzulernen.
Checkliste für Auswilderung
Die Checkliste für Auswilderung (PDF 800 KB) fasst die wichtigen Punkte für eine Auswilderung nochmals zusammen.